Research Mindset: UX Research ist nicht nur eine Methode - es ist ein Mindset
User Experience (UX) Research ist zu einer zentralen Säule modernen Produktdesigns geworden. Und doch bleibt es für viele ein Schlagwort: oft verwendet, aber selten wirklich verstanden.
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Im Kern geht es bei UX Research darum, die Nutzer*innen tiefgreifend zu verstehen: ihre Bedürfnisse, ihr Verhalten, ihre Schmerzpunkte und ihre Motivation. Es ist der Prozess, Erkenntnisse zu gewinnen, die Designentscheidungen fundieren und verbessern - damit Produkte nicht nur funktionieren, sondern auch intuitiv, angenehm und nutzerzentriert sind.
Richtig durchgeführt, wirkt UX Research wie ein strategischer Kompass. Es geht nicht nur darum, Ideen zu validieren – sondern auch darum, Chancen aufzudecken, von denen man bisher nichts wusste. Warum das wichtig ist:
Pain Points aufdecken: Erkennen, wo Nutzer*innen Probleme haben oder aussteigen – um das zu verbessern, was wirklich zählt.
Designentscheidungen validieren: Hypothesen testen, Risiken minimieren und mit Sicherheit gestalten.
Produktstrategie informieren: Die Entwicklung von Features und Prioritäten der Roadmap auf echte Nutzerbedürfnisse stützen.
Geschäftsergebnisse verbessern: Bessere Usability führt zu höherer Interaktion, Nutzerbindung und ROI.
Ressourcen sparen: Designprobleme frühzeitig erkennen – bevor sie in der Entwicklung teuer werden.
Kurz gesagt: UX Research schlägt die Brücke zwischen Produktteams und echten Menschen – und verankert Lösungen in der Realität, nicht in Annahmen.
Die zwei Welten der UX-Research:
Qualitativ vs. Quantitativ
UX-Research-Methoden lassen sich in zwei große Kategorien einteilen – qualitativ und quantitativ – jede mit eigenen Stärken und idealen Anwendungsbereichen.
Qualitative Forschung: Das „Warum“ verstehen
Qualitative Methoden dringen unter die Oberfläche. Sie helfen uns zu verstehen, warum Nutzer sich auf bestimmte Weise verhalten, was sie denken und wie sie sich fühlen. Diese Ansätze sind besonders nützlich, um komplexe Emotionen, unerfüllte Bedürfnisse oder neue Ideen zu erforschen.
Typische Methoden sind:
Nutzerinterviews: Einzelgespräche, die tiefe Einblicke liefern.
Fokusgruppen: Moderierte Gruppendiskussionen, die unterschiedliche Perspektiven aufzeigen.
Ethnografische Studien: Beobachtung von Nutzern in ihrem realen Umfeld.
Kontextuelle Befragung: Nutzerinteraktion mit einem Produkt wird beobachtet und parallel hinterfragt.
Usability-Tests: Direkte Beobachtung von Nutzern bei der Lösung von Aufgaben mit einem Prototyp oder Produkt.
Die Daten sind meist nicht-numerisch - z. B. Zitate, Verhaltensweisen oder Erfahrungsberichte. Sie geben aber einen wichtigen Einblick in tatsächliche Nutzererfahrungen.
Quantitative Forschung: Das „Was“ messen
Quantitative Forschung misst das Nutzerverhalten in großem Maßstab. Es geht um Muster, Trends und statistische Signifikanz. Sie beantwortet Fragen wie: Welcher Prozentsatz der Nutzer bricht beim Onboarding ab? Welches Design steigert die Conversion-Rate um 5 %?
Typische Methoden sind:
Umfragen: Groß angelegte Fragebögen zur Erfassung von Präferenzen oder Problemen.
Analytics: Verhaltensanalysen wie Klicks, Verweildauer oder Erfolgsraten bei Aufgaben.
A/B-Tests: Vergleich verschiedener Designvarianten zur Bestimmung der besseren Performance.
Benchmark-Usability-Tests: Messen von Kennzahlen wie Aufgabendauer oder Fehlerrate.
Welche Methodik ist die richtige?
Feature | Qualitative Methoden | Quantitative Methoden |
---|---|---|
Ziel | Motivationen und das „Warum“ verstehen | Verhalten und das "Was" messen |
Datentyp | Nicht-numerisch (z.B. Geschichten, Themen) | Numerisch (z.B. Conversion-Rates) |
Stichprobengröße | Klein, dafür tiefgehend | Groß, skalierbar |
Analyse | Thematisch, interpretativ | Statistisch, datengetrieben |
Besonders geeignet für | Frühe Exploration, Hypothesenentwicklung | Trendvalidierung, Wirkungsmessung |
In vielen Fällen liefern gemischte Methoden, also die Kombination aus tiefgehender qualitativer Exploration und quantitativer Validierung, die stärksten Erkenntnisse.
UX Research im Produktentwicklungszyklus
UX-Research ist keine einzelne Phase. Es ist ein roter Faden, der sich durch den gesamten Produktlebenszyklus ziehen sollte. So passt es in die jeweiligen Phasen:
Phase | Forschungsaktivität |
---|---|
Vor dem Design (Discovery) | Nutzerinterviews, Analyse von Support-Tickets, Wettbewerbsanalyse |
Design (Definition) | Usability-Tests, Journey Mapping, konzeptionelle Exploration |
Nach dem Prototyp (Entwicklung) | A/B-Tests, Aufgabenanalysen, Fehlermessung |
Nach dem Launch (Iteration) | Monitoring von Analytics, Feedback sammeln, Verbesserungen testen |
Ein Praxisbeispiel:
“Ich war einfach nicht bereit, sofort mein Bankkonto zu verknüpfen. Ich wusste noch gar nicht, was die App eigentlich macht - warum sollte ich also meine Finanzdaten angeben, bevor ich verstehe, welchen Nutzen ich davon habe?”
Ein Fintech-Startup stellte fest, dass fast 40 % der Nutzer während des Onboardings absprangen. Quantitative Daten identifizierten den größten Reibungspunkt: den Screen „Bankkonto verknüpfen“. Doch erst die qualitative Forschung – in Form von Interviews und Usability-Tests – lieferte die Antwort auf das Warum: mangelndes Vertrauen und fehlende Transparenz.
Mit diesen Erkenntnissen überarbeitete das Team den Onboarding-Prozess: Es wurde eine klarere Erklärung zur Sicherheit ergänzt und eine Option zum Überspringen eingeführt. Ein A/B-Test bestätigte: Die neue Version erhöhte die Abschlussrate um 25 %.
Die Kombination beider Forschungsmethoden half dem Team, von Symptomen zu Lösungen zu gelangen – und echten, messbaren Mehrwert zu schaffen.
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Die Falle des „Methods-first“-Denkens vermeiden
Es ist verlockend, mit einer Methode zu starten. Umfragen gehen schnell. Usability-Tests sind vertraut. Doch wer mit den Werkzeugen beginnt statt mit den richtigen Fragen, gewinnt oft nur oberflächliche Erkenntnisse – und verpasst wertvolle Chancen.
Echte UX-Research beginnt mit Neugier:
Was muss ich wirklich herausfinden?
Was hindert uns daran, weiterzukommen?
Welche Annahmen treffen wir gerade?
Erst wenn die Lernziele klar sind, sollte die passende Methode gewählt werden. Fragegetrieben und methodenoffen zu arbeiten, ist das Kennzeichen strategisch wirksamer Forschung.
UX-Research als strategischer Hebel
UX-Research ist nicht nur ein Bestandteil des Prozesses – es ist ein Multiplikator für Wirkung. Es vereint Teams um echte Nutzerbedürfnisse, reduziert Risiken und sorgt dafür, dass bessere Produkte schneller entstehen. Aber dafür müssen wir Research nicht als Pflichtübung verstehen, sondern als Haltung. Eine Haltung, die auf Empathie, Neugier und Präzision basiert.
Wenn uns das gelingt, schaffen wir nicht nur bessere Interfaces - wir gestalten bessere Erlebnisse. Und bessere Erlebnisse machen Unternehmen nachhaltig erfolgreich.